Kürzlich sagte ich zu einer Freundin: Es kann ja nicht jeder nur Gedichte schreiben, wo wären wir dann wohl in der Welt. Sie antwortete: Das wäre ein interessantes Thema für einen Text! Ich darauf: Ja, stimmt! Liebe Miriam, hier ist er:
Wenn alle Menschen Poet*innen wären,
wäre die Welt ein besserer Ort
Denn Poesie heißt nicht,
tagein tagaus dramatisch irgendwo
hingegossen an Reimen zu
schmieden und zwischendurch immer wieder mal zu
seufzen
Poesie ist eine Art/Kunst, die Welt zu
sehen, wahrzunehmen und die Eindrücke zu
verarbeiten
Poesie entsteht durch die Liebe zur Welt,
und die Welt hat unendlich viele Facetten
Stellen wir uns vor: acht Milliarden Menschen wandern
achtsam durchs Leben,
stets auf der Suche nach etwas, das es zu
entdecken und aufzudecken gilt
Stellen wir uns vor, unsere Welt, durch das Kaleidoskop von
acht Milliarden Sichtweisen, Herangehensweisen,
Interpretationen und Positionen,
wie der Elefant, der für jede Mücke
ein anderes Wesen ist, abhängig davon, wo auf seinem Körper sie sitzt
Alle würden die Existenz, in der sie
eingebettet tief tief spüren,
würden unter die Oberfläche sehen,
das Unsichtbare zu ergründen suchen
Niemand hätte Zeit für Missgunst und Krieg
Konflikte würden vielleicht per Brief
diskutiert,
im lyrischen Geplänk,
in einer Art Reim Battle,
die aber so zart und bedacht und langsam ist,
dass bald alle vergessen, worum
es eigentlich ging
Was letztendlich auch egal ist
Wissenschaft und Forschung würde
durch Poesie eine neue Dimension
geschenkt
Ergebnisse, Lösungen auch auf
ihren literarischen/poetischen Wert
abgeklopft
Im Sport wären alle Gewinner*innen
In der Wirtschaft auch
Die Währung wäre alles, was nährt
Politische Reden wären
eine meditative Freude
Diskussionen ein
Feuerwerk an geistreichen
Ideen
Textnachrichten, Mails und Artikel gedankenvoll
komponiert
Kinder spielen auf Wortspielplätzen
Jede Form erlaubt
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es
Streamingdienste gäbe, und wenn, dann
nur für Lesungen, Theater und Poetry Slams
und Für Konzerte
Denn ich zähl die Musiker*innen zu den Poet*innen
Musik ist Dichtkunst mit Klang
Alle Künste wären hoch geschätzt
und jede neue Sprache
eine Bereicherung